Die Unruhe der Ausgesperrten: DREAMING DOGS

Schauplatz: Die Moskauer Peripherie. Auf einem verwaisten Fabrikareal wohnt Nadja, eine ältere Frau mit sechs Hunden. Gemeinsam bilden sie ein Rudel, eine Familie, eine Interessengemeinschaft. Das kollektive Ziel: Überleben. Not verlangt speziesübergreifende Solidarität. Die Tage sind gefüllt mit Suchen. Nach Nahrung, nach Weggeworfenem, nach Kisten oder Decken. Alles wird verbaut in der Do-it-yourself-Hütte. Pure Bricolage.

Die Kamera filmt meist aus der Hundeperspektive. Als wäre der Operateur selber ein Tier, selber ein Teil des Rudels. Als Nadja in einem Haus verschwindet, wo Hunde nicht zulässig sind, wartet die Kamera draußen, zeigt die zunehmende Unruhe der Ausgesperrten: Wo bleibt die Rudelchefin? Schließlich laufen die Vierbeiner allein zurück zur Hütte. Und warten weiter. Immer nervöser. Ebenso das Publikum. Die Identifikation mit den Vierbeinern liegt bei 100 Prozent.

Nein, Sentimentalität oder gar Ousider-Romantik gibt es nicht. Weder bei Nadja noch bei den Dokufilmern Elsa Kremser & Levin Peter. Auch die Sinnfrage wird nicht gestellt, der bedingungslose Wille zum Durchhalten nicht hinterfragt. An einer Stelle bedauert Nadja den Tod von Freunden. Weil die so gut holzhacken könnten. Weitere Gründe hat sie nicht. Oder benennt sie nicht. Nein, komplexe Emotionen finden hier keinen Platz: Ein Streicheln, ein Umarmen, ein paar Worte, ein paar Laute. Das war’s.