THE LAST DUEL

Jeder halbwegs filmverliebte Mensch weiß, dass eines der heute gefeierten Meisterwerke BLADE RUNNER (1982, R.: Ridley Scott) bei Kritiker:innen und Publikum der Zeit nicht so gut ankam, zumindest wenn man sich die Ticketverkäufe und die gemischten Kritiken des Films bei Release zu Gemüte zieht.

Tja, mit THE LAST DUEL haben wir wieder einen Film Ridley Scotts mit verhaltenen Kritiken und mehr als enttäuschenden Ticketverkäufen (tatsächlich ist es Ridley Scotts schlechtester Box Office Start in den USA und Kanada seit Beginn seiner Karriere). Ob sich THE LAST DUEL als eines von Scotts großen Filmen herausstellen wird, wird nur die Zeit zeigen – und ggf. einige Director’s und Final Cuts. Ich möchte hier THE LAST DUEL nicht als verkanntes Meisterwerk verkaufen (ohne meine Kristallkugel tätige ich keine Prophezeiungen!), sondern nur die rechte Perspektive einnehmen. Denn der Film übt schon eine fast anachronistische Anziehungskraft aus: die Faszination eines Old-School-epischen Historiendramas in all seiner Soapopera-haftigkeit mit einem sehr modernen #metoo-Einschlag.

Hat der Film Längen? Wahrscheinlich. Ist das zugrundeliegende Spiel der Moral ein wenig unoriginell? Sicherlich. Aber gelangweilt habe ich mich keinesfalls, also lasst euch nicht zu sehr von Kritiken und Erfolg bei der Kinofilmauswahl leiten. Allein das Spiel der Schauspieler:innen, allen voran großartig: Jodie Comer, die einigen als Villanelle in KILLING EVE bekannt sein dürfte, ist sehenswert (und macht die grottigen Frisuren der Figuren fast vergessen). Der Film steuert so größtenteils unaufgeregt wie unaufhaltsam seinem brutalen Höhepunkt entgegen, dass es einem die Sprache verschlägt, wenn sich die rivalisierenden Adligen Sir Jean de Carrouges (Matt Damon) und Jaques Le Gris (Adam Driver) im Duell gegenüberstehen und über das Schicksal der Marguerite de Carrouges (Jodie Comer) entscheiden; denn vom Ausgang des Zweikampfs hängt ab, ob sie vor Gott und dem Gericht die Wahrheit bezeugt hat, als sie Jaques Le Gris der Vergewaltigung bezichtigt hat. Die himmelschreiende Ungerechtigkeit und Absurdität einer Gesellschaft ehrevernarrter eitler Gockel wird nur wenig subtil dem Publikum präsentiert, aber um „subtil“ geht es auch nicht (und mal ehrlich: Wer erwartet „subtil“ von Ridley Scott?). THE LAST DUEL soll, trotz seines grimmigen Themas, immer noch vornehmlich unterhalten. Dabei nehmen Scott und seine Drehbuchautor:innen (Nicole Holofcener, Ben Affleck, Matt Damon) eine eindeutige Position ein – nicht zuletzt, wenn sie die Geschichte um die Vergewaltigung und dem Gerichtsverfahren aus drei Positionen erzählen und kurzerhand die Version der Marguerite als „The Truth“ untertiteln.

Die dreiteilige Erzählstruktur von THE LAST DUEL ist kein RASHOMON (1950, R.: Akira Kurosawa) und auch, mit Abstrichen, kein DIE TASCHENDIEBIN (2016, R.: Park Chan-Wook) (um einen aktuellen Vergleichsfilm zu nennen), aber der Film ist so ambitioniert und narrativ messy wie ein Filmexperiment auf diesem Budget in Zeiten von Play-it-Safe Franchisefilmen nur sein kann. Und dass Erzähler:innen im Blockbuster-Film noch experimentieren können und ggf. auch scheitern dürfen, dafür sollte man sehr dankbar sein.