Kinderfilme für den Lockdown! (Nicht nur für Kinder… ?)

„Die klügsten Menschen die ich kenne, sind im Inneren alle Kinder.“

Jim Henson

„Kindheit ist ein unausgesetztes, unschuldiges Horchen an verbotenen Türen. Man erlauscht, was man nicht erlauschen sollte.“

Oscar Wilde

Wieder im Lockdown, kein Kino, kein Theater, kein Garnichts… Das ist für einige von uns nur sehr schwer zu ertragen. Aber gerade für unsere Kleinsten, die nach der Schule und Kita nicht einfach mit Freunden spielen gehen können (und ihre Eltern) ist es eine herausfordernde Situation. Für all die kleinen und nicht ganz so kleinen Kinder: Hier ein paar Filmtipps, damit ihr nicht den ganzen Tag „vor der Glotze“ hängen müsst, sondern etwas Kino-Feeling in die heimischen Wände holt – abseits von Mainstream oder Disney/Pixar. (Das heißt nicht, dass Disney, Pixar, Studio Ghibli und co. keine Meisterwerke zu empfehlen hätten, aber viele von euch kennen sie wahrscheinlich bereits. Wenn nicht… checkt sie aus!)

Diese Liste erhebt, natürlich, keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber irgendwo muss ich ja aufhören. 😛 Kommt gerne in der Filmkunst vorbei – dort gibt es sicherlich noch mehr Filmtipps, so ihr denn wollt!

Disclaimer: Ich bevorzuge Filme, die die (emotionale) Intelligenz von Kindern ernst nehmen. Die Herausforderung ist nicht, meiner bescheidenen Meinung nach, Kinder vor bestimmten Aspekten des Lebens abzuschirmen, sondern sie kindgerecht aufzuarbeiten (was die nachfolgenden Filme großartig hinbekommen). Gerade deswegen sind auch meine Filmtipps für uns größere Kinder interessant, da sie sich nicht auf kindlichen Klamauk oder „Kindheitsprobleme“ reduzieren lassen.

Die Melodie des Meeres (2014, R.: Tomm Moore)

Der Regisseur Tomm Moore wird gerne als europäische Antwort auf Japans Hayao Miyazaki (u.a. „Mein Nachbar Totoro“, „Chihiros Reise ins Zauberland“) bezeichnet. Auch der Ire bedient sich gerne der Mythen und Geschichte seines Landes und obwohl sein Animationsstil weiter nicht entfernt sein könnte von dem des japanischen Maestros, sieht man die gleiche liebevolle Machart und Liebe zum Detail wie in den Filmen des legendären Studio Ghiblis. „Die Melodie des Meeres“ begeistert nicht nur mit seiner dichten melancholischen Atmosphäre, sondern auch mit seinen wunderschönen Bildern. Einen visuell schöneren Kinderfilm kommt man wahrscheinlich so schnell nicht zu sehen. Die Handlung selbst, obwohl eindeutig ein Kinderfilm, ist auch immer verwoben mit Themen wie Trauer und Verlust. Die Antagonisten sind keine bösen Figuren, sondern nur gebrochen und verletzt. Das ist eine emotionale Komplexität, die dem Leben gerecht wird.

Ame & Yuki – Die Wolfskinder (2012, R.: Mamoru Hosoda)

Apropos Miyazaki und Anime: Nicht nur Miyazaki und Studio Ghibli können anspruchsvolles Animekino. Makoto Shinkai ist vielen mittlerweile spätestens seit „Your Name. – Gestern, heute und für immer“ ein Begriff, aber Mamoru Hosoda kennen viele noch nicht. Seine Filme handeln häufig über Familie und Außenseiter, wie z.B. auch seine letzten beiden Filme „Der Junge und das Biest“ und „Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft“. In „Ame & Yuki – Die Wolfskinder“ verliebt sich eine junge Studentin in einen Wolfsmenschen. Nach dessen tödlichen Unfall entscheidet sie sich, ihre beiden Kinder, halb Wolf, halb Mensch, in größerer Freiheit auf dem Land aufzuziehen. Der Film, in seinem Kern, ist ein tiefromantischer Film in der Tradition bester Gothic-Märchen ohne jedoch lange Schatten in jede Ecke werfen zu müssen.

Mrs. Brisby und das Geheimnis von NIMH (1982, R.: Don Bluth)

Kein Disneyfilm, aber sieht aus wie einer. Kein Wunder, sind hier doch einige ehemalige Mitarbeiter des Mäusehauses beteiligt gewesen. Zur Story: Eine Feldmaus, seit kurzem verwitwet, ersucht bei den sagenumwobenen und gefürchteten Ratten von NIMH um Hilfe, da das Feld, auf dem ein loser Zementblock und ihr Zuhause, liegt, umgepflügt werden soll. Ihr Sohn jedoch liegt mit einer Lungenentzündung im Bett und kann das Bett nicht verlassen. „Mrs. Brisby und das Geheimnis von NIMH“ ist atmosphärisch einiges düsterer, als man es Disney gewohnt wäre. Die Darstellung der Ratten von NIMH z.B. könnte Kinder, die nur „Wohlfühl-Kinderfilme“ gewohnt sind, ein wenig ängstigen. Dennoch erkennt man das bewährte Disneyformular hier und da wieder (inkl. tollpatschigen Sidekick), obwohl Don Bluth und seine Mitstreiter für ihren ersten eigenständigen Zeichentrickfilm etwas zu viel wollten. Dies trägt aber bisweilen interessante Früchte, so erweiterte das Team z.B. die Buchvorlage um magische bzw. Fantasyelemente, die dem „Geheimnis von NIMH“ etwas Mystisches verleihen. Die Animationen waren für die damalige Zeit unglaublich aufwendig, auch wenn viele Effekte heute mit weniger Zeitaufwand zu erreichen sind. Gerade dies trägt aber dazu bei, dass der Film auch noch heute wunderschön anzuschauen ist, während die Handlung und Stil das bewährte Disneyformular um einige leicht düstere Nuancen erweitert.

Der dunkle Kristall (1982, R.: Jim Henson, Frank Oz)

Weitaus düsterer geht es im Fantasy-Puppenfilm „Der dunkle Kristall“ zu. Jim Henson, der mit seinen Puppen aus der „Sesamstraße“ und in „Die Muppet Show“ erfolgreich wurde, kreiert in „Der dunkle Kristall“ eine faszinierend-düstere wie auch aufwendige Welt voller eigenwilliger mit Liebe zum Detail entworfener Wesen, in der seine als Heldenreise konzipierte Handlung angesiedelt ist. Mit der Plastizität der Puppen und den praktischen Effekten übt der Film immer noch einen Sog aus, den animierte Filme so heute nicht ganz ausüben. Der Intention des Regisseurs entsprechend sollte der Film, im Gegensatz zu vielen anderen Kindererzählungen, wieder mehr von der ursprünglichen Dunkelheit der Märchen aufnehmen – und das nicht zu knapp! Das Böse in „Der dunkle Kristall“ ist weder drollig noch dümmlich, sondern aus dem Stoff von Albträumen. Angst, für Jim Henson, ist keine negative Emotion und, so Kinder ganz ohne sie aufwachsen, ungesund für Heranwachsende. Erstrebenswert ist nicht der Sieg des ausnahmslos Guten über das Böse, sondern ein Gleichgewicht, die beide Seiten als Teil des Lebens anerkennt.

Coraline (2009, R.: Henry Selick)

Wer die Filmtipps durchschaut, bekommt wahrscheinlich das Gefühl, dass ich düstere Kinderfilme bevorzuge. (Mein Lieblingsfilm als Kind war übrigens „Der dunkle Kristall“. ?) „Coraline“, basierend auf einer Novelle des wundervollen Autoren Neil Gaiman, könnte man als Horrorfilm für Kinder betrachten. Nach einem Umzug entdeckt die junge Heldin des Films im Haus den Zugang in eine perfekte gespiegelte Welt, mit perfekten Eltern und perfektem Drum und Dran – doch dahinter liegt ein dunkles sowie verstörendes Geheimnis. Schrecklich doch zugleich wunderschön ist dieser mit Computereffekten erweiterte Stop-Motion Animationsfilm des Regisseurs von „Nightmare before Christmas“ (nö, nicht von Tim Burton, sondern von Henry Selick!) anzusehen. Unbedingt empfehlenswert ist er aber v.a. durch seine Atmosphäre, die der kindlichen Fantasie entsprungen zu sein scheint. Fantastisch wie die besten Abenteuer aus der Kindheit und schrecklich wie nur Albträume von Kindern es sein können.

Mein Leben als Zucchini (2016, R.: Claude Barras)

Von dem albernen Titel oder der bunten Optik des Stop-Motion-Films „Mein Leben als Zucchini“ sollte man sich nicht täuschen lassen, denn auch dieser Film zeigt einige düstere Seiten des Lebens. In einem Waisenhaus leben Kinder, die schon viel zu früh schlimme Erfahrungen im Leben machen mussten; z.B. als Kinder von drogenabhängigen Eltern oder Zeugen des elterlichen Mordes und Suizids. Dennoch, trotz des emotional düsteren Fundaments des Filmes, finden Claude Barras und Drehbuchautorin Céline Sciamma (u.a. Regie und Drehbuch „Portrait einer jungen Frau in Flammen“ (Drehbuchpreis Cannes)) Hoffnung in den liebevollen Charakteren des Films. Mit derartigen Erfahrungen scheinen die möglichen Wege, die die Kinder im Leben einschlagen können – Welcher Mensch möchte ich sein? – schon viel zu früh vorgegeben. Doch „Mein Leben als Zucchini“ scheint nahezulegen, dass diese Kinder, solange noch ein bisschen (Nächsten-)Liebe in ihrer Welt zu finden ist, noch alle Wege und eine schöne Zukunft offenstehen.

Die Abenteuer des Prinzen Achmed (1926, R.: Lotte Reiniger)

Keine Aufzählung von Animationsfilmen wäre vollständig ohne DEN Klassiker. Und obwohl es einer der ersten Animationsfilme und somit ein Klassiker ist, haben den sehr wenige (jüngere) Leute nur gesehen bisher. Schade, denn der Film ist künstlerisch heute immer noch toll! Der Scherenschnitt-Silhouettenfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ der großartigen Lotte Reiniger entlehnt seine Handlung aus der Märchensammlung Tausendundeine Nacht. Animiert wurden die 2D-Papierausschnitte in Stop-Motion-Technik. Genauso wie andere Stummfilme der früheren Kinogeschichte wird die Handlung rein über Bewegung und Zwischentitel vermittelt. Auch noch heute fasziniert, wie expressiv die Bewegungen sind. Der Film dürfte eher was für ältere und aufgeschlossenere Kinder/Jugendliche (und natürlich für Erwachsene) sein, aber ist absolut sehenswert.

Ernest & Célestine (2012, R.: Stéphane Aubier, Vincent Patar, Benjamin Renner)

Gegen Schluss möchte ich nochmal einen gar nicht düsteren, sondern eher leichtere Film vorschlagen: „Ernest & Célestine“ ist ein französischer Zeichentrickfilm in Wasserfarbenstil. Dieser Film, der auf der Kinderbuchreihe „Mimi und Brumm“ von Gabrielle Vincent basiert, ist einfach unglaublich süß und witzig – aber keineswegs ohne Tiefgang. Es geht um eine unwahrscheinliche Freundschaft zwischen einer Maus und einem Bären. Obwohl beide Gesellschaften auf engstem Raum miteinander leben (die einen „unten“, die anderen „oben“), wird in den jeweils anderen nur das Feindbild gesehen. So verwundert es nicht, dass Célestine und Ernest nicht nur um Akzeptanz, sondern auch entgegen aller Vorurteile und Verbote für ihre Freundschaften kämpfen müssen. Dabei wird nie überdeutlich der moralische Zeigefinger erhoben (wie es häufig bei anderen derartigen Kinderfilmen passiert), sondern der Spaß steht immer im Vordergrund. (Und nicht ganz subtil: Es sind natürlich die Künstler, die nicht gewürdigt und gesellschaftskonform, aber im Geiste offen sind!)

Die Tipps sollen euch erstmal nur Bock auf die Filme machen. Inhaltsangaben, Filmtrailer usw. findet ihr ja alle reichlich im Internet! Selbstredend findet ihr natürlich alle diese Filme bei uns in der Filmkunst.

Wir sehen uns!